Deutsch-polnischer Blog

Kategorie: Artikel auf Deutsch

An Heiligabend grüßt uns lautlos der Karpfen aus der Badewanne

Wie jedes Jahr vor Heiligabend stehen auf polnischen Straßen Karpfenhändler. In großen, voll mit Wasser gefüllten Plastikbecken bieten sie Fische an, die von den meisten Kunden lebendig gekauft werden. Die Polen kaufen Karpfen ein oder zwei Tage vor Weihnachten und gönnen ihnen in der Badewanne zu Hause noch ein paar Stunden Gnadenfrist, bevor sie als Hauptgericht auf dem Weihnachtstisch serviert werden.

Als Kinder haben wir die Fische gerne im Badezimmer beobachtet und waren traurig, dass ihre Stunden gezählt sind. Sie waren eine große Attraktion und für uns viel interessanter als kleine Aquariumfische.

Keiner von uns hat diese Tradition je in Frage gesellt. Seit Generationen wird in Polen dieser Fisch verspeist. Und obwohl die Gläubigen an Heiligabend nicht fasten müssen, wird in Polen an diesem Tag kein Fleisch gegessen. Traditionell werden 12 Speisen aufgetischt, darunter der Karpfen in allen möglichen Varianten, z. B. in Aspik, gebraten oder gekocht. Bigos oder Pilzsuppe dürfen auch nicht fehlen. Als Nachtisch gibt es verschiedene Kuchensorten und zum Trinken eingelegtes Obst im eigenen Saft.

Die Erklärung, warum an Heiligabend in Polen kein Fleisch serviert wird, finden polnische Kulturexperten in einem Brauch, nach dem auf den polnischen Dörfern an Heiligabend Haus- oder Nutztiere als Gäste zum Fest eingeladen wurden. Die Menschen glaubten nämlich, dass an diesem Abend alle Tiere sprechen könnten. Und um keine Klagen der Tiere hören zu müssen, hatte man auf deren Fleisch an diesem Tag verzichtet.

Ob in dieser Geschichte ein Körnchen Wahrheit steckt, habe ich mehrmals versucht rauszukriegen. Ohne Erfolgt. Vielleicht gelingt es mir in diesem Jahr endlich, sprechende Tiere zu treffen. Aber darüber werde ich Euch erst im nächsten Jahr berichten.

Und bis dahin wünsche ich Euch besinnliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Magdalena Kuckertz

Weihnachten auf Polnisch

Wenn am Heiligen Abend der erste Stern am Himmel aufgeht, versammeln sich die Polen um den festlich gedeckten Weihnachtstisch, singen Weihnachtslieder und lesen aus dem Evangelium über die Geburt Christi. Der Tisch ist an diesem Abend mit einem zusätzlichen Teller gedeckt, der für einen unerwarteten Gast bereitsteht und zugleich an die verstorbenen Angehörigen erinnern soll. Das Weihnachtsmenü besteht traditionell aus 12 verschiedenen Speisen. Die Zahl 12 geht entweder auf 12 Apostel oder auf 12 Monate im Jahr zurück.

Das typische Hauptgericht ist der Karpfen, in verschiedenen Formen zubereitet: gekocht, gebraten oder in Aspik. Viele polnische Frauen servieren auch dazu Bigos, den berühmten Eintopf aus Sauerkraut, Pilzen und Fleisch. Unter die Tischdecke legen viele Familien Stroh als Zeichen, dass Jesus in einer Krippe geboren wurde oder als Glücksbringer für das neue Jahr. 

Vor dem Mahl reicht der Familienvater allen Anwesenden ein Stück kunstvoll verzierten, in der Kirche geweihten Oblaten. Jeder bricht mit jedem die Weihnachtsoblate und wünscht frohe Weihnachten. Es ist üblich, geweihte Oblaten als Weihnachtsgruß an Familie und Freunde zu versenden.

Nach dem Essen werden die Weihnachtsgeschenke ausgepackt, die in manchen Familien, je nach Region oder Lokaltradition, entweder das Christkind oder der Stern von Bethlehem bringt.

Den Abend rundet der Besuch der mitternächtlichen Christmette ab. Ob Klein oder Groß, viele gehen in die Kirche. Sie nutzen dabei die Möglichkeit, die Weihnachtskrippe zu sehen, die Jahr für Jahr mit ihrer Pracht und oft lebendigen Tieren Besucher in Staunen versetzt.

Weihnachten ist auch die Zeit, in der der Priester seine Gemeinde besucht. Er geht an vorher angekündigten Tagen mit seinen Messdienern von Haus zu Haus und wird mit Freude von den meisten Familien empfangen. Während des Besuchs wird zusammen gebetet und das Haus neu geweiht. Da Polen sehr stark katholisch geprägt ist, gehört das zur Weihnachtstradition dazu und wird auch durch die Polen praktiziert, die nicht streng katholisch sind.

Weihnachtszeit ist in Polen ein Fest der Familie und für die meisten das wichtigste Fest des Jahres überhaupt.

Kauderwelsch – Polnisch

Wenn Sie noch nie Polnisch gehört haben, kommt es Ihnen im ersten Augenblick wie Kauderwelsch vor. Die vielen „sch“- und „tsch -Laute tun dem Ohr weh. Das liegt daran, dass Polnisch im Unterschied zu Deutsch einer anderen Sprachfamilie angehört.

Polnisch ist eine slawische Sprache und eng mit Slowakisch, Sorbisch (in der Lausitz vertreten) oder Tschechisch verwandt. Es wird von ungefähr 39 Millionen Polen gesprochen. Dazu kommen noch viele Auslandspolen auf der ganzen Welt und einige mutige (!) Ausländer, die diese Sprache lernen.

Das es sie gibt – und nicht nur in Deutschland – habe ich vor kurzem erlebt: eine vor wenigen Wochen kennen gelernte Japanerin hat mich zu meiner größten Überraschung auf Polnisch begrüßt und in ein paar Sätzen über ihren Sprachkurs in Łódz berichtet. Selbstverständlich auf Polnisch.

Die polnische Sprache besitzt viele Konsonanten und hat als die einzige slawische Sprache neben Standardvokalen, die in anderen Sprachen auftreten, auch zwei Nasalvokale. Sie verfügt über sieben Kasus und hat nur einen Konjunktiv. Das reiche grammatische Formsystem bereitet nicht nur den Polnischlernenden viele Probleme. Auch die Muttersprachler machen ab und zu Fehler.

Die Nachbarschaft zu Deutschland hat im Polnischen einige Spuren hinterlassen. So finden Sie zum Bespiel im Bauswesen einige aus dem Deutschen entnommene Bezeichnungen wie „dach“, „szpalta“ oder „szpachla“.

Die Polen sind sich dessen bewusst, dass ihre Sprache nicht einfach zu lernen ist. Deswegen begrüßen Sie sehr herzlich jeden Versuch, auch den nicht gelungenen. Wenn Sie demnächst nach Polen reisen und Ihre Gastgeber beeindrucken wollen, lernen Sie ein paar Brocken Polnisch. Es recht schon „dzień dobry“, „dziękuję“ oder „do widzenia“. Vorteilhaft wäre auch zu wissen, wie man richtig polnische Nach- und Vornamen ausspricht. Auf diese Weise gewinnen Sie in Windeseile viele neue polnische Freunde. Vertrauen Sie mir, diese Mühe werden Sie nie bereuen!

Ihre Magdalena Kuckertz

Deutsch lernen – ein langer, steiniger Weg mit Erfolg

In den Jahren, in denen ich Deutsch gelernt habe, hat sich einiges ereignet. Es gab sowohl Erfolgsmomente als auch Niederlagen. Die größte und als fast unüberwindbar scheinende Hürde waren lange Zeit die verdammten Artikel: der unbestimmte und sein Bruder, der bestimmte Artikel. Für ein junges Mädchen, das mit der polnischen Sprache aufgewachsen ist, war es nicht einfach im Kopf zu behalten, dass “der polnische Messer – noż” im Deutschen Neutrum und “die polnische Löffel – łyżka” Maskulinum sind. “Wie soll das gehen?” – dachte ich beim Vokabelpauken.

Die Stunden vergingen, unzählige Übungen und Aufsätze wurden niedergeschrieben sowie viele Phonetikkassetten nachgesprochen, bis ich irgendwann begann, ein kleines Licht am Ende eines langen und dunklen Tunnels zu sehen. Aus dieser Zeit sind mir ein paar Wörter, die ich im Gedächtnis wie ein Schatz behüte, als Erinnerung an die alten Zeiten geblieben.

Fleischwolf vs. Maulwurf

Ich habe mich immer gewundert und tue das weiterhin, dass man den Fleischwolf “Fleischwolf” nennt, wo es doch logischer wäre, das Küchengerät als “Maulwurf” zu bezeichnen. Diese Maschine hat doch ein “Maul”, sprich Öffnung, aus dem Hackfleisch “rausgeworfen” wird. Diejenigen, die eine tierische Komponente bei dieser alternativen Bezeichnung vermissen, finden diese ebenso. Denn warum Fleischwolf, wenn es doch “Maulwurf” heißen könnte? Sie merken, ich versuche mir die deutsche Sprache zurechtzubiegen. Es gibt in meinem Wortschatz auch “Linkshändler”, “Kenntnisse erfrischen” oder “Mutter besichtigen” statt besuchen. Eine schöne Erfindung ist auch der “Hasen-, Nasen-, Ohren-Arzt”. Klingt doch besser als die langweilige Berufsbezeichnung “HNO-Arzt”, oder?

Gegenneblige Lichten

Unter Deutschlernenden ergibt sich immer wieder die Frage, wie heißt das eine oder andere Ding? Wenn man bereits in viele Geheimnisse der deutschen Sprache eingeweiht ist, neigt man dazu, besonders erfinderisch zu sein, was den Kommunikationsprozess mit Muttersprachlern höchst interessant gestaltet. Für beide Seiten wohl bemerkt. So erging es einer Freundin von mir. Basia ist Autorin der durchaus interessanten Wortbildung: gegenneblige Lichten. Sie fragen sich, was das sein mag? Denken Sie nach. Wir haben hier folgende Wörter: “gegen”, “Nebel” und “Licht”. Geht Ihnen jetzt ein Licht auf? Andere Phantasiewörter mit Realitätsbezug aus ihrem Repertoire aus der Zeit des Deutschlernens, die wir neulich bei einem guten Essen auf einem Bierdeckel notiert haben, um sie vor dem Vergessen zu bewahren, sind: “Caferei”, “scherzlich”, “Wände streicheln” oder “Radfahr”.

Muttersprache kämpft ums Überleben

In diesen komischen Fehlern, Versprechen oder Wortdrehern spiegelt sich die Muttersprache des Deutschlernenden wider. Aus diesem Grunde unterscheiden die einen keine langen von kurzen Vokalen. Die anderen verwechseln andauernd Artikel oder verwenden überhaupt keine. Die Folge ist: Nur mit viel Übung und Kontakt zu Muttersprachlern kann man sich das erarbeiten, was Kinder innerhalb weniger Jahren in Deutschland lernen. Nämlich: richtig Deutsch zu sprechen. Der Weg des Lernens ist lang und steinig. Am Ziel angekommen ist man stolz, hat ein um einiges erweitertes Denkvermögen und nicht zuletzt einen eigenen Wort-Schatz, der nur einem ganz persönlich gehört: “Spazierung”, “grüner Kosmetik” (steht für Kulturtasche) oder “in die Toilette gehen”.

Vom Lernenden zum Lehrer

Diesen Weg habe ich hinter mir. Ich habe sozusagen die Seiten gewechselt. Jetzt muss ich nicht mehr die Bank drücken. Dafür aber unterrichte ich und versuche, soweit es geht, mit meiner Begeisterung für die deutsche Sprache andere anzustecken. Manchmal sogar mit Erfolg!